Mit KI ausbilden und Nachwuchskräfte wirklich erreichen
- Rosemarie Thiedmann

- 1. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Als ich selbst noch Auszubildende ins Berufsleben begleitet habe, reichte oft schon ein sicherer Arbeitsplatz, um als attraktiver Arbeitgeber zu gelten. Heute ist das anders.
Junge Menschen erwarten mehr, und das zu Recht. Sie wollen ernst genommen werden, Entwicklungsmöglichkeiten sehen, mitgestalten dürfen. Gleichzeitig bringt ein Teil von ihnen Unsicherheiten mit. Da gibt es Lernlücken, Sprachbarrieren oder schlicht Überforderung angesichts unzähliger Optionen.
Wer heute junge Menschen für eine Ausbildung gewinnen und im Betrieb halten will, braucht mehr als ein gutes Onboarding. Es braucht ein echtes Verständnis dafür, was Lernen heute bedeutet, und wie Künstliche Intelligenz dabei helfen kann, die Ausbildung menschlicher, flexibler und erfolgreicher zu gestalten.
Zwischen Chancen und Abbruch – was Ausbildung heute herausfordert
Ich war ernsthaft geschockt, als ich mich mit den aktuellen Statistiken befasst habe. Fast ein Drittel aller Ausbildungsverhältnisse wird in Deutschland vorzeitig beendet. Viele davon schon in der Probezeit. Die Gründe reichen von unklaren Erwartungen über Missverständnisse bis hin zu fehlender Orientierung.
Doch auch das Tempo der Welt hat deutlichen Einfluss auf den Einstieg ins Berufsleben. Vielleicht spüren Sie es auch in ihrem Betrieb. Zwei Jahre Unterricht unter Pandemie-Bedingungen haben Spuren hinterlassen. Manche Azubis starten mit schulischen Defiziten, andere mit beeindruckendem Technikverständnis. Der Kontrast ist groß, die Anforderungen an Ausbilderinnen und Ausbilder ebenfalls.
Hier kann KI ein echter Hebel sein. Es braucht weiterhin gute, persönliche Betreuung. KI kann als Werkzeug individuelles Lernen möglich machen, gerade wenn die Zeit knapp ist.
Mit KI entstehen neue Lernchancen
Ein starres Ausbildungskonzept wird der Vielfalt heutiger Nachwuchskräfte kaum gerecht. Manche brauchen mehr Erklärung, andere mehr Herausforderung. Wer alle über einen Kamm schert, überfordert die einen und langweilt die anderen.
Adaptives Lernen ist hier ein Schlüssel. KI-gestützte Systeme analysieren, wie jemand lernt, und passen Inhalte, Tempo und Format automatisch an. Der eine bekommt strukturierte Texte. Die andere ein Lernvideo mit anschaulichem Beispiel. Wer in einem Bereich unsicher ist, erhält gezielte Übungen.
Solche Systeme arbeiten wie ein digitaler Lerncoach. Sie motivieren, wiederholen, geben Rückmeldung und sind jederzeit verfügbar. Anbieter wie area9 LYCEUM oder Masterplan zeigen, wie das in der Praxis aussehen kann.
KI ganz praktisch für Ausbildungsverantwortliche
Wer denkt, das sei nur was für große Unternehmen, irrt. Plattformen wie Netzwerk Q 4.0 bieten mit dem KI-Kompass eine übersichtliche Sammlung von Tools, Methoden und Beispielen für die Ausbildungspraxis.
Die Inhalte sind klar nach Lernphasen gegliedert und sofort anwendbar, von der Erklärung von Fachbegriffen bis zur Visualisierung komplexer Abläufe.
Ein Beispiel aus der Praxis:
Ich wollte das Ohmsche Gesetz einmal für Auszubildende greifbar machen. Ein Thema, das mir selbst in der Schule schwerfiel.
Also fragte ich ChatGPT:
„Erkläre das Ohmsche Gesetz wie einem 5-jährigen Kind.“
Die Antwort kam als Wassermetapher – mit Hahn, Rohr und Stromfluss. Einfach. Verständlich. Und auf einmal war auch bei mir der Knoten geplatzt.
Sprache, die verbindet
Viele Auszubildende starten mit sprachlichen Unsicherheiten. Die KI kann hier durch Übersetzungen, Vereinfachungen oder Visualisierungen Brücken bauen. Ob jemand aus einem anderen Herkunftsland kommt oder einfach nicht mit Fachsprache aufgewachsen ist, wer besser versteht, lernt leichter und fühlt sich schneller zugehörig.
Dr. Christoph Metzler vom Institut der deutschen Wirtschaft nennt das eine der größten Chancen von KI: Sie kann dabei helfen, dass Menschen sich im Betrieb sprachlich wie kulturell verstanden fühlen.
Wie sich die Rollen in der Ausbildung verändern
Die Rollen in der Ausbildung verändern sich spürbar. Besonders Ausbildende sind heute mehr Coach als Lehrmeister. KI verändert nicht nur Lernprozesse, sondern auch Beziehungen.
Wenn junge Menschen sich vieles selbst erschließen, braucht es eine neue Art von Begleitung. Nicht mehr: „Ich erkläre dir, wie es geht.“ Sondern: „Ich unterstütze dich, es selbst herauszufinden.“
Trotzdem bleibt gerade in handwerklichen und technischen Berufen das Vormachen, das Zeigen, das handwerkliche Können zentral. KI kann den zwischenmenschlichen Kontakt nicht ersetzen. Das echte Vorbild bleibt wichtig.
Verantwortung im Umgang mit KI übernehmen
Was erlaubt ist und was nicht, muss klar sein. Dr. Metzler berichtet aus Schulungen, wie wichtig ethische Fragen geworden sind.
Was passiert, wenn Azubis private Daten hochladen oder KI nutzen, um sich über Teammitglieder lustig zu machen? Hier braucht es klare Spielregeln. Zudem braucht es Experimentierräume, um Sicherheit im Umgang mit der KI zu gewinnen. Denn manche Fehler passieren nicht aus Absicht, sondern Unwissen. Beim bewussten Experimentieren erhalten Azubis die Möglichkeit Fehler in einen sicheren Umfeld zu machen und daraus zu lernen.
KI bietet Chancen für alle, die mit Nachwuchskräften zusammenarbeiten. Probieren Sie’s aus, wie KI Ihnen die Zusammenarbeit erleichtern kann:
💡 KI-Prompt für Ausbildungsverantwortliche
„Erkläre das Prinzip des Dreisatzes für Auszubildende im ersten Lehrjahr. Bitte in einfacher Sprache und mit einem Beispiel aus dem Arbeitsalltag, z. B. aus der Produktion, Logistik oder dem Verkauf.“



Kommentare